Stéphanie meditiert. Sie versucht, Stille zu üben und innerlich leer zu werden, wie sie es gerade im Buddhismus lernt, dem sie sich angeschlossen hat. Sie versucht, leer zu werden und jegliche Annahmen über die Welt loszulassen. Geistige Freiheit ist ihr Ziel. Sie sitzt vor einer großen Christustatue, denn für diese Meditation hat sie eine der großen Kirchen in Paris aufgesucht.
Ist dieser Ort ungewöhnlich für sie? Nein, denn nicht nur praktiziert sie den Buddhismus, sondern sie ist gleichzeitig in einer katholischen Gebetsgruppe engagiert. Warum sollte sie nicht Christ und Buddhist gleichzeitig sein können? Im Gegenteil, ist sie nicht eigentlich der bessere Christ, weil sie das Gute aus den verschiedenen Religionen zusammenbringt, und so zur Aussöhnung der Religionen beiträgt? So glaubt sie. Doch in nur wenigen Momenten wird sich ihr Denken grundlegend ändern.
Sie wuchs in Lisieux auf, direkt gegenüber dem Karmelkloster, wo Therese von Lisieux mit dem „kleinen Weg“ der Liebe ihren verborgenen Weg zur höchsten Heiligkeit fand, ihre Großeltern betrieben dort einen großen Andenkenladen für die Pilgerscharen. Doch Stéphanies Familie war nicht „sehr gläubig“, wie sie berichtet. Aber ob Stéphanie nicht dort in Lisieux eine große Fürsprecherin für sich hatte?
Die Familie zog nach Paris, im jugendlichen Sturm und Drang hielten die schwachen christlichen Wurzeln nicht, Stéphanie verließ das Christliche ganz, blieb jedoch auf der spirituellen Suche, probierte esoterische Ideen aus und öffnete sich mehr und dem Buddhismus.
Auch Christen lernte sie in Paris kennen, stieß zu dieser besagten Gebetsgruppe und begann, beide Wege gleichzeitig zu gehen, buddhistische Meditationen mit ihren buddhistischen Weggefährten, und gleichzeitiges Gebet und Engagement in der christlichen Gebetsgruppe. Sie hatte nicht das Bedürfnis, sich zu entscheiden, sie wusste gar nicht warum, warum hätte sie das tun sollen. Und nun ist sie hier, mit ihrer buddhistischen Meditation in St. Trinité vor einer großen Christusstatue.
Doch dann plötzlich, etwas ist anders. Sie blickt zu der großen Christusstatue auf. Ohne dass sie weiß, wie ihr geschieht, wird sie von einem Moment auf den anderen von einer immensen Freude erfüllt und ein tiefer, nie gekannter Frieden breitet sich in ihr aus. Es ist der stärkste spirituelle Augenblick in ihrem Leben. Es ist der Herr Jesus Christus, der ihr Herz berührt.
Wie widersinnig erscheint es ihr auf einmal in diesem Licht, innerlich leer werden zu wollen, jetzt, wo ihr Inneres ganz und gar von der Liebe Gottes erfüllt ist. Blitzartig versteht sie: Christus ruft sie, allein ihm zu folgen, ihm allein.
Als ich dieses Zeugnis auf dem französischen katholischen Sender kto hörte, hat es mich innerlich getroffen. Einmal mehr wurde mir klar, wie wichtig die persönliche Begegnung mit Jesus Christus ist. Wie entscheidend ist sie, um im Geist und in der Wahrheit den einen Dreifaltigen Gott anzubeten und Jesus Christus allein zu folgen, den einzigen und einen Sohn Gottes, der von sich selbst sagt:
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Joh 14, 6)
Stéphanie konnte sich, nachdem Jesus Christus sie innerlich tief berührt hatte, mit ganzem Herzen dafür entscheiden, allein den christlichen Weg zu gehen und keine buddhistischen Anteile mehr in ihr geistliches Leben einzubinden.
Sich ganz allein Jesus Christus zuzuwenden ist heute nicht unbedingt einfach, denn es ist durchaus gängig und als „gut“ anerkannt, verschiedene religiöse Praktiken miteinander zu verbinden, — auch unter Christen —, und gerade aus dem ostasiatischen Raum werden gern Anleihen genommen. Buddhismus, Taoismus und Hinduismus fließen immer mehr in Form von Meditationspraktiken, dem Aufstellen von Buddha-Statuen, Yoga-Übungen und vielem mehr in das christliche Praktizieren ein.
An mancher Stelle wird dieses sogar offen propagiert und dafür geworben. „Warum nicht?“ lesen wir auf katholisch.de, einer bekannten katholischen Webseite, anlässlich eines buddhistisch-christlichen Thementages, für den geworben wird. „Warum nicht? … Ohne Buddha könnte ich kein Christ sein … Ich bin Christ und Buddhist zugleich (…) Das Leben in der globalisierten Welt schafft Räume, sich Heilendes und Stärkendes aus unterschiedlichen religiösen Traditionen anzueignen.“ (1)
Die Einzigartigkeit des Christus, des einzigen Sohnes Gottes, der gekommen ist, die ganze Menschheit zu erlösen, wird hier versucht aufzuheben. Das Christentum wird zu einer Religion von vielen gemacht, zu etwas, das nur noch „kulturelle Ausdrucksform des religiösen Empfindens“ ist, wie Papst Benedikt XVI es formulierte:
„Was als Wahrheit verpflichtende Kraft und verlässige Verheißung für den Menschen gewesen war, wird nun zu einer kulturellen Ausdrucksform des allgemeinen religiösen Empfindens, die uns durch die Zufälle der europäischen Herkunft nahegelegt ist.“ (2)
All dieser Nebel löst sich auf, wenn Christus tatsächlich in das menschliche Herz eintritt. Das Herz, das in solcher Weise durch den Heiligen Geist entflammt ist, sieht in diesem Licht in völliger Klarheit: Jesus Christus ist der Sohn des lebendigen Gottes, Er allein bringt die Erlösung und das ewige Leben in ewiger Freude.
Die Seele weiß im Licht der Liebe Gottes, dass hier der eine und wahre Gott ist, der sich ihr persönlich offenbart. Es ist die entflammte Liebe, die nur noch Christus will, und durch ihn den Vater. Im Feuer des Heiligen Geistes hört das Fragen nach anderen Göttern und Kulten auf. Oder wie Papst Benedikt XVI es theologisch ausdrückt:
„Die Götter sind keine Götter mehr. Als solche sind sie gestürzt: Die Frage nach der Wahrheit selbst hat ihnen die Göttlichkeit genommen und ihren Sturz bewirkt.“ (3)
„Aber zugleich ist ihre Wahrheit ans Licht getreten: dass sie Abglanz von Göttlichem, Vorahnungen von Gestalten waren, in denen sich ihr verborgener Sinn gereinigt erfüllte. … eine Stufe auf der Stufe nach dem wahren Gott und seiner Spiegelung in der Schöpfung.“ (4)
Heute in einer Zeit, in der wir mehr und mehr von anderen Religionen und Kulten umgeben sind, kommt es immer häufiger vor, dass der Weg zu Christus über andere Kulte und Religionen führt; ist doch das Praktizieren von solchem immer auch Ausdruck einer intensiven Suche.
So sieht die Kirche in ihrer Weisheit das Gute und Hilfreiche in anderen Religionen, ohne die Einzigartigkeit des Christus zu verleugnen:
„Die Kirche anerkennt bei den anderen Religionen, dass sie, wenn auch erst ‚in Schatten und Bildern‘, nach Gott suchen. Er ist ihnen unbekannt, aber doch nahe, da er allem Leben, Atem und alles gibt und da er will, dass alle Menschen gerettet werden. Somit betrachtet die Kirche alles, was sich in den Religionen an Wahrem und Gutem findet, als ‚Vorbereitung für die Frohbotschaft und als von dem gegeben …, der jeden Menschen erleuchten will, damit er schließlich das Leben habe‘.“ (5)
Und nein, es muss nicht unbedingt eine solches besonderes Ereignis der Gnade sein, wie Stéphanie es erlebte, um uns zur Einzigartigkeit des Christus zu führen. Wie oft sind es stetige geistige Wege, die uns immer mehr in der Wahrheit des Christus festigen. Es ist ein geistliches Wachsen immer tiefer in die Beziehung mit Jesus hinein.
Sollten wir ein solches Ereignis der Gnade erleben dürfen, wäre es insofern fatal, dabei stehen zu bleiben. Im Gegenteil, gerade die besondere gnadenhafte Erkenntnis des Christus ruft zu einem lebendigen und stetigen Gebets- und Anbetungsleben, um immer vertrauter mit Jesus zu werden.
Gerade in der heutigen Zeit brauchen wir in besonderer Weise die Kraft des Heiligen Geistes, um Jesus Christus kennenzulernen, immer tiefer seine Wahrheit erkennen zu können und mehr und mehr in ihr gefestigt zu werden.
Das Zeugnis von Stéphanie auf kto:
VERWEISE
(1) https://www.katholisch.de/video/14745-kann-man-gleichzeitig-buddhist-und-christ-sein
(2) Papst Benedikt XVI: Glaube, Wahrheit, Toleranz. S. 132
(3) Papst Benedikt XVI: Glaube, Wahrheit, Toleranz. S. 132
(4) Papst Benedikt XVI: Glaube, Wahrheit, Toleranz. S. 186
(5) Katechismus der Katholischen Kirche: 843
BILDER
St. Trinité, Paris: www.montjoy.net
alle anderen: unsplash.com